Inhalt

Umwelt, Planen und Bauen

Letzte Meldung

10.01.2025: Planfeststellungsverfahren (Kiesabbau Nützen)

  • Datum: 10.01.2025

    Planfeststellungsverfahren der Planungsgemeinschaft Kiesabbau Nützen (veröffentlicht am 10.01.2025)

23.12.2024: Vierter Naturschutzbrief (Dezember)

Liebe Leser*innen,

das Jahr 2024 neigt sich rapide seinem Ende entgegen und wir können uns langsam fragen, was das Jahr 2025 für uns bereithält.
Unter anderem wird es wie in jedem Jahr wieder die "Natur des Jahres" geben – diverse Vertreter aus Flora und Fauna, aber auch Bodenarten, Flusslandschaften oder andere Naturräume werden von verschiedenen Interessenverbänden hervorgehoben und vorgestellt, um auf ihre Bedeutung und Schutzwürdigkeit oder -bedürftigkeit hinzuweisen. Die Liste für 2025 ist bereits fast vollständig und kann im Internet eingesehen werden.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um zurückzublicken – und zwar mit Bezug auf das Wildtier des Jahres 2024, den Igel.
Wenn ich mich an meine Kindheit und Jugend zurückerinnere, dann gehörte der Igel auf jeden Fall zu den wildlebenden Säugetieren, die ich am häufigsten gesehen habe. Das mag auch damit zusammengehangen haben, dass Igel naturgemäß nicht schnell sind und sich bereits verdrücken, bevor man ihrer ansichtig wird. Nein, sie sind recht behäbig in ihrer Fortbewegung, nicht gerade leise und statt zu fliehen, rollen sie sich zusammen, wenn sie sich nicht sicher sind, ob ihnen vielleicht eine Gefahr droht. Sie igeln sich im wahrsten Wortsinne ein.

Ich sah nicht nur Igel auf der Futtersuche im Garten und im häuslichen Umfeld, immer nachts, da dieses Stacheltier nachtaktiv ist. Häufig konnte ich sie auch beobachten, wenn ich im Dunkeln mit dem Fahrrad unterwegs war. Oder aus dem fahrenden Auto von meinem Platz auf der Rückbank. Igel waren fast allgegenwärtig und so sah ich sie leider auch noch häufiger tot als lebendig – als Opfer des damals, wenn ich es mit heutigen Verhältnissen vergleiche, doch deutlich geringeren Straßenverkehrs.

Seit einigen Jahren nun stelle ich fest, dass es nach wie vor tote Igel auf den Straßen gibt. Jedoch sieht man diese nicht mehr so häufig und vor allem weniger auf Überlandfahrten als im besiedelten Bereich.
Nun könnte man sich ja darüber freuen, dass es weniger tote Igel im Straßenverkehr zu beklagen gibt. Jedoch ist es viel angebrachter, besorgt zu sein! "Warum dies?", mögen Sie sich fragen. Um das zu beantworten, nenne ich ein anderes Beispiel: Ich habe lange Zeit Dachse nur aus dem Fernsehen oder aus dem Tierpark gekannt. Dachse waren einfach extrem selten, weil sie, gewissermaßen als Kollateralschaden, Opfer der Begasung von Fuchsbauten zur Bekämpfung der Wildtollwut wurden. Mit der Einführung von Schluckimpfungen der Füchse gegen Tollwut wurden die Begasungen eingestellt und die Dachspopulationen erholten sich.

Ich erinnere mich gut daran, dass ich irgendwann auf dem Weg zu einer Exkursion im Rahmen meines Biologiestudiums Anfang der 1990er Jahre an einer wenig befahrenen Straße im Wendland einen toten Dachs am Straßenrand sah. Ich war unterwegs in einem mit Student*innen und ihrer Ausrüstung vollgestopften Kleinwagen, als der Beifahrer den Dachs erspähte und mit einem aufgeregten "Stopp!" die Fahrerin zu einer Vollbremsung nötigte. Der Wagen kam mit quietschenden Reifen zum Stehen, die Türen sprangen auf und kurz danach standen fünf Student*innen um den toten und schon mehr als nur leicht riechenden Dachs herum und staunten…

In den Folgejahren wurden solche Sichtungen rasch häufiger und heute ist der Anblick eines überfahrenen Dachses am Rand von Straßen und Autobahnen nicht mehr bemerkenswert. Die steigenden Verkehrsopferzahlen beim Dachs spiegelten schlicht die Bestandserholung dieses Wildtieres wider.

Ähnliches ließ und lässt sich das auch noch beim Wolf beobachten. Als 2007 bei Süsel im Kreis Ostholstein der erste Wolfsnachweis tot auf der Straße lag, war die Aufregung groß. Hatte dieser Wolf es doch geschafft, durch das halbe Schleswig-Holstein zu wandern, ohne in irgendeiner Form auffällig zu werden. Mittlerweile sind die Wölfe in unserem Bundesland etabliert und Straßenverkehrsopfer unter ihnen sind nicht unbedingt an der Tagesordnung, jedoch schon lange keine Sensation mehr.

Dass der Anblick toter Igel auf den Straßen drastisch zurückgegangen ist, kann somit nur als alarmierendes Zeichen gewertet werden. Und in der Tat belegen Untersuchungen, dass der Igelbestand dramatisch eingebrochen ist. In Großbritannien etwa ist die Zahl der Igel in den vergangenen 20 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen. Eine umfangreiche Untersuchung zeichnet für Bayern das gleiche Bild; es kann unterstellt werden, dass die Untersuchungsergebnisse auf Gesamtdeutschland übertragbar sind.

Die Ursachen für den dramatischen Rückgang der Igelpopulationen sind schnell gefunden: In unseren Agrarwüsten finden sich kaum noch geeignete Lebensraumstrukturen. Darunter leidet der Igel direkt, jedoch auch die von ihm bevorzugten Nahrungstiere. Als reiner Fleischfresser benötigt er ein abwechslungsreiches Angebot an Käfern und Engerlingen sowie vielen anderen Insekten und deren Larven. Auch Regenwürmer sind in seinem Nahrungsspektrum enthalten. Sowohl der Igel als auch seine Beute haben schwer daran zu tragen, wie wir heute mit unseren Agrarflächen umgehen. Während bis in die 1950er Jahre hinein die Landwirtschaft auf kleinen Flächen mit hoher Strukturvielfalt eine aus heutiger Sicht kaum vorstellbare Artenvielfalt erhalten, ja sogar überhaupt erst ermöglicht und geschaffen hat, muss man nun die moderne konventionelle Landwirtschaft als eine der Hauptursachen für das Artensterben identifizieren. Eine weitgehend ausgeräumte, an den Einsatz immer größerer Landmaschinen angepasste Landschaft und der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel sorgen dafür, dass es kaum noch igelgeeignete Lebensräume gibt und dass auch die erforderliche Nahrungsgrundlage fehlt. Damit möchte ich ausdrücklich nicht der Landwirtschaft die alleinige Verantwortung für den katastrophalen Zustand der Biodiversität hierzulande zuschieben. Nein, verantwortlich sind wir als Gesellschaft, weil wir mehrheitlich durch unser Konsumverhalten die praktizierte Landwirtschaft unterstützen, um nicht zu sagen erzwingen.

Ich möchte aber auf den Igel zurückkommen: Weil die Lebensbedingungen in der Landschaft immer schlechter für das Stacheltier wurden, wich der Igel zunehmend in den Siedlungsbereich aus, in dem er in Gärten und auch öffentlichem Grün adäquate Ersatzlebensräume vorfand.
Leider hat in unseren Städten und Dörfern jedoch eine fatale Trendumkehr stattgefunden. In öffentlichen Grünanlagen darf offenbar nichts geduldet werden, was dem menschlichen Ordnungssinn nicht entspricht. So werden alljährlich im Herbst Unmengen an Laub beseitigt, die für die Igel enorm wichtig wären, weil sie damit naturgemäß ihre Winterschlafplätze auspolstern. Das Material hierzu ist zunehmend schwer zu finden. Auch geeignete Verstecke für den Winterschlaf der Igel gibt es kaum noch.
Leider wird das Laub auch nicht mehr zusammengefegt, sondern weggeblasen oder aufgesaugt. Dabei werden unbeabsichtigt und zumeist unbemerkt Igelnester zerstört und sogar Jungigel, die nur wenige hundert Gramm wiegen, verblasen oder aufgesaugt und damit umgebracht.

Auch in Privatgärten sorgen allgemeiner Wohlstand und Bequemlichkeit dafür, dass für Igel die Luft dünner wird: Strukturreiche Gärten werden ein seltener Anblick, es herrschen versiegelte Flächen vor – Schotterbeete und Einheitsgrün, oft dominiert von nicht heimischen immergrünen Gehölzen. Was eventuell zum Winter noch an Laub zu Boden fallen kann, wird auch in den Privatgärten weggepustet oder aufgesaugt – mit denselben fatalen Folgen für Igel und andere Tiere wie im öffentlichen Grün; auch hier nicht beabsichtigt und gewollt, aber letztlich doch tödlich.

Als besonders verheerende Innovation zeigen sich in der Gartenpflege die Mähroboter, die einfach alles, was nicht schnell flüchten kann, häckseln und mit dem Mulch verteilen.
Ich weiß, die Hersteller dieser Geräte werben damit, dass ihre Mähroboter igelsicher seien. Das sind jedoch schlicht "alternative Fakten", um nicht Begrifflichkeiten zu bemühen, die weniger salonfähig sind. Alle Igelstationen registrieren eine erhebliche Zunahme schwerstverletzter Igel mit massiven Schnittverletzungen an Schnauze, Flanken und Rücken oder mit amputierten Gliedmaßen. Mir stehen entsprechende Fotos zur Verfügung, von deren Veröffentlichung ich hier jedoch absehe, um uns allen den Anblick zu ersparen. Die Hälfte der verletzt eingelieferten Igel verstirbt an ihren Verletzungen oder muss durch den Tierarzt von ihren Qualen erlöst werden. Und die Dunkelziffer ist hoch! Ein verletzter Igel schreit nicht vor Schmerz. Wenn er noch dazu in der Lage ist, schleppt er sich in die nächste Deckung und verendet dort qualvoll, ohne weiteres Aufsehen zu erregen.

All dies führt dazu, dass der Igel von einem allgegenwärtigen Wildtier zu einem seltenen Anblick geworden ist. In Großbritannien etwa wurde der Igel bereits 2007 zu einer besonders geschützten Art erklärt. In Schleswig-Holstein steht er seit 2014 auf der Vorwarnliste der Roten Liste gefährdeter Arten.

Was nun kann die oder der verständnisvolle Einzelne tun, um dem Abwärtstrend des Igels und der Artenvielfalt entgegenzuwirken?
Es kann beispielsweise über ein reflektiertes Konsumverhalten Einfluss darauf genommen werden, wie wir als Gesellschaft unsere Landschaften nutzen. Wenn viele mitmachen, kann das dramatische positive Effekte entwickeln. Ich bin aber realistisch und mittlerweile auch desillusioniert genug, um diesbezüglich auf ein Wunder zu hoffen.
Es kann aber tatsächlich auf persönlicher Ebene mit wenig Aufwand viel für Igel und Co. getan werden. Eine insekten- und kleintierfreundliche Gartengestaltung ohne überflüssige Flächenversiegelung, Verzicht auf Schottergärten, kleintierdurchlässige Zäune oder heimische Hecken als Grundstücksbegrenzungen, hier ein Laubhaufen oder dort ein wenig Reisig – mehr muss es gar nicht sein.
Und wenn dann noch auf Laubbläser oder -sauger verzichtet wird, kommt das nicht nur der Tierwelt zugute sondern auch der eigenen Gesundheit, wenn stattdessen der gute, altbewährte Besen bewegt wird.
Eine "Eins-Plus-mit-Ausrufezeichen" gibt es, wenn auf Mähroboter verzichtet wird oder diese zumindest nur tagsüber zum Einsatz kommen. Ich appelliere hier dringend an Ihre Einsicht und Vernunft – glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass es keine igelsicheren Mähroboter gibt! Und wenn Sie weiterhin skeptisch sein sollten, so fragen Sie bitte bei der nächsten Igelstation an.

Es gibt bereits große Städte, die ein Nachtfahrverbot für Mähroboter verordnet haben. Dort hat man erkannt, dass dies eine einfache und zumutbare Maßnahme darstellt, die geeignet ist, die vielfachen Gefährdungsfaktoren sowohl für die Igelpopulationen als auch für andere vorwiegend nachtaktive Tierarten zu mindern. Gleichwohl stellt dies einen klaren Eingriff in die persönlichen Freiheiten der Bürger*innen dar. Darüber hinaus spielen solche Reglementierungen all jenen in die Karten, die "bürokratische Wasserköpfe" und "Regelungswut" der Behörden kritisieren.

Ich selbst vertrete die Ansicht, dass wir uns alle nicht aus unseren persönlichen Verantwortungen stehlen dürfen. Der Staat muss nicht alles für uns regeln. Wir dürfen und müssen uns unseres Handelns und der sich daraus ergebenden Konsequenzen stets bewusst sein und sollten daran ausgerichtet nach bestem Wissen und Gewissen agieren. Wenn jede und jeder Einzelne auf diese Weise natur- und umweltbewusst handelt, kann mit wenig Aufwand sehr viel für Nachhaltigkeit und Biodiversität gewonnen werden. Die ganz großen Baustellen nehmen wir uns dann als Gesellschaft gemeinsam vor.

Für die meisten von uns werden die Tage um den Jahreswechsel herum etwas ruhiger sein und Gelegenheit bieten zum Nachdenken und zur Selbstreflektion – und für gute Vorsätze, die sich dann vielleicht daraus ergeben.
Meine Bitte an Sie ist, dass Sie sich das oben Geschriebene zu Herzen nehmen und nicht nur überlegen, an welchen Punkten Sie aktiv etwas für Natur und Artenvielfalt tun können, sondern dann auch entsprechend handeln. Auch wenn Sie in vielen Punkten vielleicht schon vorbildlich unterwegs sind, Ihr Kaufverhalten bewusst ausgerichtet haben, sehr zum Leidwesen Ihrer Nachbar*innen einen naturnah gestalteten Garten mit Mut zu einer geordneten Unordnung pflegen und lieber einmal mehr die Muskelhypothek bedienen als sich maschineller Unterstützung zu bedienen: Mehr geht immer! Auch ich bemühe mich stets, in dieser Hinsicht weiter an und mit meinen Ansprüchen zu wachsen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in das neue Jahr!

Sie sind herzlich eingeladen, sich auch 2025 die Naturschutzbriefe der unteren Naturschutzbehörde (UNB) Segeberg anzuschauen.

Ralf Borchers, UNB Segeberg

Mehr zum Thema Naturschutz

23.12.2024: Umweltverträglichkeitsprüfung: Herstellung einer Sohlgleite

Der Gewässerunterhaltungsverband Trave beabsichtigt, eine in der Trave vorhandene Rampe aus Findlingen in eine den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechende, ökologisch durchgängige Sohlgleite umzubauen. Der vom Vorhaben betroffene 300 m lange Abschnitt der Trave ist auf Gebieten der Gemeinden Schwissel und Traventhal, Ortsteil Herrenmühle, nördlich und südlich der Kreisstraße 12 gelegen.

  • Datum: 23.12.2024

    23.12.2024: Umweltverträglichkeitsprüfung: Herstellung einer Sohlgleite auf Gebieten der Gemeinden Schwissel und Traventhal (veröffentlicht am 23.12.2024)

Mehr

ZuFiSH - Der Zuständigkeitsfinder Schleswig-Holstein

Der ZuFiSH ist ein Informationsportal rund um Dienstleistungen, Ansprechpartner*innen und Dokumente, die die öffentliche Hand Ihnen als Bürger*in anbietet.

Sie finden diese Informationen auf der Kreis-Homepage im unteren Bereich aller Themenseiten als Bürger*innen-Service.