Kreis Segeberg. Zu Beginn des Jahres ist das neue Betreuungsrecht in Kraft getreten. Betreuungsbehördenleiterin Katja Lohmeier freut sich, dass damit die Selbstbestimmung betreuter Menschen weiter gestärkt wird. "Die Reform stellt die Wünsche und den Willen rechtlich betreuter Menschen noch mehr in den Mittelpunkt und soll eine gute Qualität in der rechtlichen Betreuung sichern. Der/die Betreuer*in darf in keinem Fall über den Kopf einer betreuten Person hinweg entscheiden", betont Lohmeier.
Ist ein volljähriger Mensch aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ganz oder teilweise nicht in der Lage, für sich selbst zu entscheiden, stellt ihm das Betreuungsgericht eine*n rechtliche*n Betreuer*in zur Seite. Das kann eine Person aus dem familiären oder sozialen Umfeld sein oder jemand, der beruflich oder auch ehrenamtlich engagiert mit dem Thema Betreuung befasst ist. In jedem Einzelfall wird der/die Betreuer*in auf Vorschlag der zuständigen Betreuungsbehörde bestellt.
Zum neuen Gesetz gehört unter anderem die Einführung eines Mindeststandards für den Zugang zum Betreuer*innenberuf. Seit dem 1. Januar 2023 sind bestimmte Qualifikationen verpflichtend vorgeschrieben, um von der Betreuungsbehörde registriert/zugelassen zu werden. Für eine professionelle Betreuung benötigen Interessenten unter anderem rechtliche, psychiatrisch-psychologische und betriebswirtschaftliche Sachkunde. Diese können nebenberuflich in zertifizierten Kursen oder kompakt in einem Studium an einer anerkannten Hochschule erworben werden.
Lohmeier stellt klar, dass eine rechtliche Betreuung keine Entrechtung oder Bevormundung ist und spricht damit die Angst vieler Betreuter sowie deren Angehöriger an. "Die Vormundschaft für Volljährige ist in Deutschland seit 1992 abgeschafft. Eine Betreuerbestellung hat nicht zur Folge, dass die betreute Person geschäfts- oder einwilligungsunfähig wird." Geschäfts- und einwilligungsfähige betreute Menschen können demnach grundsätzlich weiterhin selbst ihre Entscheidungen treffen und Geschäfte tätigen sowie alle rechtlich relevanten Erklärungen selbst abgeben. Sie müssen zum Beispiel von Ärzt*innen oder von Sozialleistungsträgern stets nach ihren Wünschen gefragt werden.
Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der/die Betreuer*in den Wünschen der betreuten Person nicht oder nicht in geeigneter Weise nachkommt, besteht seit diesem Jahr grundsätzlich die Pflicht der zuständigen Rechtspflegerin oder des zuständigen Rechtspflegers, die betreute Person persönlich anzuhören. So ist beispielsweise der Schutz sogenannter "höchstpersönlicher Lebensbereiche" stärker ausgestaltet als bisher. Dies gilt insbesondere für die selbst genutzte Wohnung als persönlicher Lebensmittelpunkt. "Die Aufgabe dieses Wohnraums ist nach der neuen Vorschrift grundsätzlich nur zulässig, wenn sie dem Willen der betreuten Person entspricht", sagt Lohmeier.
Das neue Betreuungsrecht stellt deutlicher klar, dass eine Betreuung nur eingerichtet wird, wenn andere Hilfen ausgeschöpft sind und nicht ausreichen. Vorrangig sollen Familienangehörige, Bekannte oder soziale Dienste unterstützen. Diese können zum Beispiel beim Ausfüllen von Anträgen für Sozialleistungen helfen. Zudem ist die Betreuungsbehörde im Kreis Segeberg nach dem Landesbetreuungsgesetz eine von zwei "Modellbehörden" in Schleswig-Holstein. "Wir werden in unserem Kreis in den nächsten Jahren erproben, ob eine vorübergehende sogenannte ,erweiterte Unterstützung‘ durch die Betreuungsbehörde eine vom Gericht bestellte Betreuung entbehrlich machen kann. Hierfür sowie für weitere neue Aufgaben durch die Reform benötigen wir Sozialpädagog*innen, um das Team aufzustocken und gemeinsam die Selbstbestimmung Betroffener noch mehr in den Fokus zu nehmen."
Für familienfremde ehrenamtlichen Betreuer*innen ist neu geregelt, dass ihnen verbindlich kompetente Ansprechpartner*innen zur Seite stehen. Das neue Betreuungsrecht sieht für sie vor, mit einem anerkannten Betreuungsverein eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung abzuschließen. "Ehrenamtlichen Betreuer*innen mit familiärer oder persönlicher Bindung erhalten immer ein Beratungsangebot per Post nach Hause. Auch diesen empfehlen wir, eine solche Vereinbarung mit einem Betreuungsverein abzuschließen, weil dadurch eine konstante kompetente Beratung und Unterstützung durch erfahrene Fachkräfte sichergestellt wird."
Berufsbetreuer*in wird man nicht durch eine Berufsausbildung. Vielmehr handelt es sich um eine Tätigkeit, die sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Während vor 1992 hauptsächlich Rechtsanwält*innen beruflich in diesem Bereich eingesetzt wurden, sind in den Jahren seit 1992 auch viele Menschen aus anderen Berufsgruppen dazugekommen, schwerpunktmäßig Sozialarbeiter*innen/-pädagog*innen, Alten- und Krankenpfleger*innen sowie Erzieher*innen, aber auch Verwaltungsfachkräfte und Kaufleute.
Derzeit sind im Kreis Segeberg für rund 3.800 Menschen Betreuungen eingerichtet. Etwa die Hälfte von ihnen wird von Berufsbetreuer*innen unterstützt. "Wir benötigen weitere Betreuer*innen, um den Bedarf decken zu können", sagt Lohmeier. "Wenn Sie Lust am Kommunizieren mit verschiedenen Adressaten haben, gerne selbständig arbeiten, sich Ihre Zeit frei einteilen möchten und Sie die Herausforderung einer Tätigkeit als Berufsbetreuer*in interessiert annehmen möchten, freuen wir uns, Ihnen weitere Informationen telefonisch oder per E-Mail zu geben."
Mit der Gesetzesreform kommt auf die Betreuungsbehörde mehr Arbeit zu, unter anderem wenn es darum geht, die Qualifikationen der Berufsbetreuer*innen zu prüfen. Daher sucht der Kreis aktuell Sozialpädagog*innen für die Betreuungsbehörde. Zu den weiteren Aufgaben gehören unter anderem die Unterstützung der Betreuungsgerichte, die Zusammenarbeit mit den Sozialleistungsträgern sowie die Beratung und Vermittlung von Hilfen, die zur Betreuungsvermeidung geeignet sind.
Kontakt: Betreuungsbehörde Kreis Segeberg, Telefon 04551 951-8750 oder E-Mail.
Kreis Segeberg. Was bedeutet rechtliche Betreuung? Und was ist eine Vorsorgevollmacht? Unter dem Motto "30 Jahre Betreuungsrecht Schleswig-Holstein – Von der Vormundschaft zur selbstbestimmten Vorsorge" findet am Donnerstag, 15. September, landesweit ein Informationstag zum Betreuungsrecht statt, bei dem diese und weitere Fragen beantwortet werden.
Die Veranstaltung der Amtsgerichte Norderstedt und Bad Segeberg findet im Foyer unterhalb des Kreistagssitzungssaals in Bad Segeberg statt (Hamburger Straße 30). Von 14 bis 17 Uhr haben Bürger*innen hier die Möglichkeit, sich an verschiedenen Ständen mit Expert*innen auszutauschen. Dazu gehören neben Betreuungsrichter*innen und Rechtspfleger*innen von den Amtsgerichten auch Vertreter* innen der Betreuungsvereine, berufliche und ehrenamtliche Betreuer*innen sowie Mitarbeiter*innen der Betreuungsbehörde des Kreises Segeberg. Zudem beteiligt sich auch der Pflegestützpunkt im Kreis Segeberg.
Der Informationstag ist vom Landesministerium für Justiz und Gesundheit ins Leben gerufen worden. Nach einem Auftakt mit Fachpublikum am Tag zuvor in Kiel, finden am 15. September in allen Amtsgerichtsbezirken in Schleswig-Holstein Veranstaltungen zum Thema statt.
Neben vielfältigen Informationen rund um rechtliche Betreuung und selbstbestimmte Vorsorge können sich Besucher*innen auch über das Ehrenamt der rechtlichen Betreuung und das Berufsbild eines Berufsbetreuers/einer Berufsbetreuerin informieren. Außerdem können zwischen 15 und 16 Uhr Fragen an ein mit Expert*innen besetztes Podium gestellt werden.
Der Tag fällt in ein Jubiläumsjahr für die rechtliche Betreuung. Das Betreuungsgesetz trat 1992 erstmals in Kraft; die Vormundschaft wurde damit vor 30 Jahren abgeschafft. Aktuell steht das Betreuungsrecht gerade wieder vor einer großen Änderung, die zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt. "Die Reform stellt die Selbstbestimmung, die Wünsche und den Willen rechtlich betreuter Menschen noch mehr in den Mittelpunkt und soll eine gute Qualität in der rechtlichen Betreuung sichern", sagt Katja Lohmeier, Leiterin der Betreuungsbehörde des Kreises. Damit orientiere sich das Betreuungsrecht zukünftig noch stärker an der Unterstützung betroffener Personen und weniger an der Vertretung.
Hierzu Dr. Jörg Grotkopp, Direktor des Amtsgerichts Bad Segeberg: "Das System der Unterstützung und Vertretung von volljährigen Personen mit Hilfebedarf hat in den vergangenen 30 Jahren einen bemerkenswerten Prozess durchlaufen. Die Entmündigung ist abgeschafft, private Vorsorge in weiten Bereichen etabliert. In der rechtlichen Betreuung stehen die betroffenen Menschen mit ihren Wünschen im Vordergrund. Insgesamt besehen eine überaus positive Entwicklung."
-
Datum: 09.09.2022
Informationstag am 15. September 2022 (Plakat)
© Land SH