Drucksache - DrS/2010/089
Grunddaten
- Betreff:
-
Umstellung des Auszahlungs- und Erstattungsverfahrens an Kindertagespflegepersonen
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Drucksache
- Federführend:
- Kita, Jugend, Schule, Kultur
- Bearbeitung:
- Beate Zierke
- Verfasser 1:
- Teuber, Binia
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Vorberatung
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24.11.2010
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Bereit
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Hauptausschuss
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Vorberatung
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Bereit
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Kreistag des Kreises Segeberg
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Entscheidung
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Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag Alternative I :
Der Ausschuss empfiehlt, der Kreistag beschließt die Umstellung des Auszahlungsverfahrens an Tagespflegepersonen im Rahmen der Änderung der Richtlinie des Kreises Segeberg zur Förderung von Kindern in Tagespflege zum 01.02.2011. Ab dem 01.02.2011 soll damit eine rechtskonforme Auszahlung des Tagespflegegeldes an Tagespflegepersonen in voller Höhe mit anschließender Heranziehung der Kindeseltern sichergestellt werden.
Beschlussvorschlag Alternative II :
Der Ausschuss empfiehlt, der Kreistag beschließt, bis auf weiteres auf eine rechtskonforme Umstellung des Auszahlungsverfahrens an Tagespflegepersonen zu verzichten. Die finanziellen und administrativen Folgen dieser Umstellung sind für den Kreis aufgrund der aktuellen Haushaltslage nicht tragbar. Eine Qualitätsverbesserung der Kindertagespflege ist nicht errkennbar.
Sachverhalt
Sachverhalt:
- Rechtlicher Charakter von Kindertagespflege
Angebote zur Förderung in Kindertagespflege sind eine Leistung der Jugendhilfe gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII. Die Inanspruchnahme der Kindertagespflege ist in § 24 SGB VIII geregelt. Danach ist für Kinder unter drei Jahren und im schulpflichtigen Alter ein bedarfsgerechtes Angebot vorzuhalten. Für Kinder unter drei Jahren sind in § 24 Abs. 3 SGB VIII bestimmte Bedarfskriterien (z. B. die Berufstätigkeit der Eltern) gesetzlich definiert. Liegen diese Bedarfskriterien vor, soll die Förderung in Kindertagespflege gemäß § 23 SGB VIII erfolgen. Die Förderung in Kindertagespflege umfasst gemäß § 23 SGB VIII die Beratung, Begleitung und weitere Qualifizierung sowie die Gewährung einer laufenden Geldleistung. Die laufende Geldleistung bzw. Vergütung der Tagespflegepersonen setzt sich zusammen aus
- der Erstattung angemessener Kosten für den Sachaufwand der Tagespflegeperson und
- dem Anerkennungsbetrag für Erziehung, Bildung, Betreuung des Kindes. Dieser ist gemäß § 23 Abs. 2a SGB VIII „leistungsgerecht auszugestalten“. Dabei sind der Zeitaufwand und die Anzahl sowie der Förderbedarf der betreuten Kinder zu berücksichtigen.
- Gesetzgeber fordert Auszahlung der Vergütung durch Jugendamt
Mit der Neufassung des § 23 SGB VIII durch das Kinderförderungsgesetz (KiföG) und die Aufnahme der Formulierung „laufende Geldleistung an die Tagespflegeperson“ hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Vergütung vom Jugendamt direkt der Tagespflegeperson in voller Höhe und unter Berücksichtigung der wöchentlichen Betreuungsdauer ausgezahlt werden muss (sog. „Bruttoprinzip“). In einem Präzedenzfall hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11.02.2010 (Az.: 15 A 162/09) entschieden, dass die gesetzliche Neuregelung der laufenden Geldleistung subjektive Rechte für Tagespflegepersonen begründet.
Private Zuzahlungen von Dritten, z.B. durch die Eltern, sind in der Systematik der §§ 22 ff SGB VIII nicht mehr vorgesehen, sondern die Tagespflegeperson hat gegenüber dem Jugendamt einen Anspruch auf die ungekürzte „laufende Geldleistung“ nach § 23 SGB VIII. Liegt ein Betreuungsbedarf i.S.d. § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII vor bzw. besteht ein Rechtsanspruch auf Betreuung gem. § 24 Abs. 1 SGB VIII, muss das Jugendamt grundsätzlich alle aus der bedarfsgerechten Betreuung resultierenden Kosten übernehmen.
Der Gesetzgeber verfolgt dabei den Anspruch, die Kindertagespflege der Tagesbetreuung in einer Kindertageseinrichtung gleichzustellen und die Tagespflege aus einem zum Teil grauen Markt der Beschäftigung, Bezahlung und sozialen Absicherung herauszuführen.
- Praxis im Kreis Segeberg läuft anders
Entgegen der Forderung des Gesetzgebers wird die Bezahlung der Dienstleistungen von Tagesmüttern durch Eltern im Kreis Segeberg weitgehend eigenwirtschaftlich und selbstorganisiert abgewickelt. D. h. Eltern und Tagespflegeperson handeln den zeitlichen Umfang sowie den Preis der Tagespflege unabhängig von Jugendamt miteinander aus und die Eltern stellen in der weitaus größten Zahl der Fälle die volle und direkte Bezahlung der Tagesmutter sicher.
Nur in jährlich etwa 125 Fällen, in denen Eltern aufgrund ihres Einkommens die Vergütung der Tagespflegeperson nicht allein leisten können, ermäßigt der Kreis Segeberg diese für die Eltern im Rahmen seiner Sozialstaffelrichtlinie. Diese Praxis des Kreises Segeberg führt zu einer Verrechnung der Elternbeiträge mit der „laufenden Geldleistung“ dergestalt, dass an die Tagespflegeperson vom Kreis lediglich die Differenz zum Eigenanteil der Eltern ausgezahlt wird. Dieses sogenannte „Nettoprinzip“ ist rechtswidrig. Eine Umstellung des bisherigen Systems auf das sog. „Bruttoprinzip“ und damit eine Auszahlung des Tagespflegegeldes in voller Höhe an alle Tagespflegepersonen wäre somit vorzunehmen.
- Folgen einer Umstellung für den Kreis Segeberg
Bei derzeit insgesamt rund 500 betreuten Kindern in Kindertagespflege (ohne Berücksichtigung der Stadt Norderstedt) würden sich bei einer Umstellung ganz erhebliche personelle, administrative und finanzielle Mehraufwendungen für den Kreis Segeberg ergeben.
Bisher werden für rund 125 Kinder im Monat anteilige Erstattungen des Tagespflegegeldes an die Kindertagespflegepersonen gezahlt, gemindert um die von den Kindeseltern zu leistenden Eigenanteile. Die jährlichen Gesamtauszahlungen dafür betragen zurzeit 440.000 EUR, ohne dass darauf im Wege der Heranziehung noch Einnahmen erzielt werden können.
Bei einer Umstellung der Auszahlungspraxis auf das Bruttoprinzip sind seitens des Kreises zunächst für alle betreuten Kinder in Kindertagespflege Zahlungen in voller Höhe an die jeweiligen Tagespflegepersonen zu leisten. Die Gesamtauszahlungen des Kreises für Tagespflege würden damit auf rund 1.560.000 EUR jährlich ansteigen, vermindert allerdings um Einnahmen aus der Heranziehung von Eltern aus ihrem Einkommen in Höhe von voraussichtlich 784.000 EUR. Beim Kreis verbleiben würden Aufwendungen von jährlich rund 776.000 EUR, die sich aus den bisher bereits gewährten Ermäßigungen (440.000 EUR) und zu erwartenden Einnahmeausfällen in Höhe von 30 % (336.000 EUR) zusammen setzen. Der angesetzte Prozentwert für den Einnahmeausfall entspricht der Erfahrung von Kreisen, die bereits umgestellt haben.
Vorbehaltlich einer ordentlichen Stellenbemessung ist zusätzlich aufgrund der erheblichen Verfahrensänderungen und der um den Faktor 4 steigenden Mengengerüste mit mindestens einer Vollzeitstelle Sachbearbeitung im Fachdienst 51.10 (Jugendamt) sowie mit einer Teilzeitstelle im Fachdienst 21.00 (Kasse) bzw. mit Personalmehrausgaben von über 60.000 EUR zu rechnen.
Insofern ist bei einer Umstellung des Verfahrens in dem vom Gesetzgeber geforderten Sinne mit jährlichen Mehraufwendungen des Kreises aus eigenen Mitteln in Höhe von mindestens 396.000 EUR gegenüber dem Status quo zu rechnen. Dieser Betrag kann sich aufgrund folgender Umstände noch erheblich erhöhen:
- Berücksichtigung einer Umstellung für das Gebiet der Stadt Norderstedt im Rahmen künftiger Pauschalzahlungen (ab 2012),
- Jährliche Fall- und Kostensteigerungen aufgrund der starken Nachfrage nach Kindertagesbetreuung von zurzeit durchschnittlich 14 %,
- Erhöhung der vom Kreis anerkannten „angemessenen Geldleistung“ für Tagespflege von zurzeit 3,00 EUR pro Betreuungsstunde.
- Darstellung eines geänderten Antrags- und Bearbeitungsverfahrens
Für das Antrags- und Bearbeitungsverfahren ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Auszahlung an die Tagespflegeperson nur erfolgen kann, wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 SGB VIII (Betreuung bedarfsgerecht/Rechtsanspruch) ein Anspruch auf eine laufende Geldleistung besteht. Eine Prüfung des Betreuungsbedarfes als Voraussetzung für einen Anspruch auf eine laufende Geldleistung ist insofern in allen Fällen vorab beim Kreis vorzunehmen.
Nach Feststellung des Betreuungsbedarfes stellt sich das künftige Ermäßigungs- und Erstattungsverfahren unter Berücksichtigung der bisherigen Praxis wie folgt dar:
1.) Die Tagespflegeperson erhält vom Kreis Segeberg für jede Betreuungsstunde und Kind ein seitens des Kreises das Tagespflegegeld, bestehend aus der Erstattung angemessener Kosten für den Sachaufwand sowie der Anerkennung der Förderleistung (derzeit 3,-- EUR pro Kind und Betreuungsstunde). Die Tagespflegeperson rechnet monatlich mit dem Kreis ab.
2.) Der an die Kindertagespflegeperson in voller Höhe ausgezahlte Tagespflegebeitrag in Höhe von 3,-- EUR pro Kind und Betreuungsstunde wird den Eltern in Rechnung gestellt.
3.) Kindeseltern können einkommensabhängige und/oder einkommensunabhängige Geschwisterermäßigungen unverändert beim örtlichen Sozialamt beantragen (Sozialstaffel). Die Berechnung des Einkommens sowie das Ausstellen einer Ermäßigungsbescheinigung erfolgt weiterhin vor Ort.
4.) Die Ermäßigungsbescheinigungen werden seitens des örtlichen Sozialamtes an den Kreis sowie nachrichtlich an die Eltern versandt.
5.) Sofern eine entsprechende Ermäßigungsbescheinigung vorliegt, verringert sich der den Eltern in Rechnung gestellte Kostenbeitrag entsprechend.
Graphische Darstellung des vorgesehenen Auszahlungsverfahren an die Tagespflegeperson
Graphische Darstellung der vorgesehenen Heranziehung der Kindeseltern zu dem vom Kreis zunächst in voller Höhe an die Tagespflegeperson ausgezahltem Tagespflegegeld
Ausgehend von den genannten rund 500 Kindern in Kindertagespflege, einem Betreuungsbedarf von durchschnittlich 20 Stunden pro Woche und einem Tagespflegegeld von 3,-- EUR je Kind und Betreuungsstunde ergeben sich monatliche Auszahlungsbeträge in Höhe von rund 130.000 EUR. Die Jahressumme in Höhe von 1.560.000 EUR ist – abzüglich der seitens der örtlichen Sozialämter festgestellten Sozialstaffelermäßigungen – den Kindeseltern in Rechnung zu stellen. Damit sind für den zuständigen Fachdienst nicht nur rund das Vierfache an Auszahlungen (500 statt bisher lediglich 125 Auszahlungen entsprechend der in Tagespflege betreuten Kinder) zu bearbeiten, sondern die seitens des Kreises zunächst in voller Höhe geleisteten Tagespflegegelder sind bei den Kindeseltern im Wege der Heranziehung zurückzufordern.
Selbst bei einer unveränderten Ermäßigung des Tagespflegegeldes für die Kindeseltern im Rahmen der Sozialstaffelrichtlinie des Kreises Segeberg zur Förderung von Kindern in Kindertagespflege ist ein Anstieg der Sozialstaffelaufwendungen zu erwarten. Es ist davon auszugehen, dass einige Kindeseltern gegenüber dem Jugendamt Zahlungen unregelmäßiger leisten, als dies im direkten Abrechnungsverhältnis zu den Tagespflegepersonen erwartet werden kann.
Insgesamt werden die nicht zu realisierenden Forderungen an Kindeseltern auf rund 30% der Gesamtaufwendungen, mithin 336.000 EUR p.a., geschätzt.
Die Verwaltung weist darauf hin, dass das oben beschriebene Ermäßigungsverfahren im Rahmen der Sozialstaffelrichtlinie des Kreises Segeberg zur Förderung von Kindern in Kindertagespflege neben dem Anspruch der Kindeseltern auf vollständigen oder teilweisen Erlass des Tagespflegegeldes gemäß § 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII besteht. Eine entsprechende Ermäßigung ist auf Antrag zu gewähren, wenn die Belastung den Eltern und dem Kind nicht zuzumuten ist.
- Zusammenfassung
Nach Darstellung von Rechtslage und davon abweichender Praxis im Kreis Segeberg ist zu beraten und entscheiden, wie künftig das Verfahren zur Bezahlung und Abrechnung von Kindertagespflege durch die Kreisverwaltung erfolgen soll.
Bei rechtskonformer Umstellung des Verfahrens ist mit einem Nettomehraufwand aus Kreismitteln in Höhe von jährlich mindestens 396.000 EUR zu rechnen, ohne dass eine wesentliche Verbesserung der Qualität von Kindertagespflege damit erreicht werden könnte.
Bei Fortsetzung des bisherigen Verfahrens werden zwar Mehraufwendungen vermieden, die Aufgabenerfüllung des Kreises als gesetzlicher Jugendhilfeträger würde jedoch suboptimal und nicht rechtskonform erfolgen.
Finanz. Auswirkung
Finanzielle Auswirkungen:
| Nein |
X | Ja: |
| Darstellung der einmaligen Kosten, Folgekosten |
| Ab 2011 sind monatlich rund 130.000 EUR an die Tagespflegepersonen im Kreis Segeberg (ohne Norderstedt) auszuzahlen. Der sich ergebenden Jahressumme in Höhe von 1.560.000 EUR stehen Einnahmen in derselben Höhe, abzüglich gewährter Sozialstaffelleistungen sowie nicht zu realisierende Forderungen in Höhe von ca. 336.000 EUR p. a. (ca. 30 % der entsprechenden Aufwendungen) gegenüber. Daneben ist mit Mehraufwand für Personal i.H.v. 60.000 EUR zu rechnen. Zusätzlich zu den bereits jetzt bestehenden Sozialstaffelaufwendungen in Höhe von 440.000 EUR ergeben sich jährliche Mehraufwendungen für den Kreis in Höhe von voraussichtlich 396.000 EUR. |
| Mittelbereitstellung | |
X | Teilplan: 361 | |
| In der Ergebnisrechnung | Produktkonto: 36121 |
| In der Finanzrechnung investiv | Produktkonto: |
| Der Beschluss führt zu einer über-/außerplanmäßigen Aufwendung bzw. Auszahlung | ||
| in Höhe von |
| Euro |
| (Der Hauptausschuss ist an der Beschlussfassung zu beteiligen) | ||
| Die Deckung der Haushaltsüberschreitung ist gesichert durch | |
| Minderaufwendungen bzw. -auszahlungen beim Produktkonto: |
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| Mehrerträge bzw. -einzahlungen beim Produktkonto: |
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Bezug zum strategischen Management:
x | Nein |
