Der Landrat / die Landrätin in der Bundesrepublik (1950-1990)
Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, dem Inkrafttreten des Grundgesetzes und der Übergabe der (noch beschränkten) Souveränität von den alliierten Besatzungsmächten konnte auch die Regelung der Verwaltungsstrukturen in deutscher Verantwortung erfolgen. Die inhaltliche Ausgestaltung in den Kreisen war Sache der einzelnen Bundesländer, die dabei durchaus unterschiedliche Wege einschlugen.
Schleswig-Holstein beschloss im Februar 1950 die zunächst von den Besatzungsbehörden abgelehnte Kreisordnung in leicht veränderter Fassung. In Teilen führte sie die von den Briten abgeschaffte traditionelle Mittlerrolle des Kreises, die in der doppelten Funktion der Kreise als unterste Ebene der Staatsverwaltung und gleichzeitig Teil der kommunalen Selbstverwaltung bestanden hatte, wieder ein. Dabei stärkte man vor allem den Kreisausschuss und rückte ihn als eigentliches Verwaltungsorgan in den Mittelpunkt. Der Landrat ist seither aber nicht wie in Preußen staatlicher Beamter oder Landesbeamter, sondern leitender kommunaler Verwaltungsbeamter, der dem Kreisausschuss vorsitzt. Dem Kreistag gehört er nicht an, sondern hat lediglich beratende Funktion. Staatliche Aufgaben werden von ihm und der Kreisverwaltung als Auftrag umgesetzt. Landräte sind zugleich Wahlbeamte, gewählt (und abwählbar) durch den Kreistag, wobei die gesetzlichen Vorgaben für die Dauer einer Amtszeit zwischen sechs und zwölf Jahren variieren und eine Bestätigung durch den Landesinnenminister notwendig ist. Der Kreistag unter der Vorsitz des Kreispräsidenten kontrolliert den Kreisausschuss.
Eine Neuerung war 1950, dass es auf Kreisebene keine Sonderbehörden mehr geben sollte; sie wurden in die Kreisverwaltung eingegliedert. Diese Regelung hob das Land mit der Neufassung der Kreisordnung 1977 wieder auf. Die Kreisreform 1990 brachte nach dem einschneidenden Regierungswechsel zwei Jahre zuvor einen erheblichen Zuwachs an möglichen Bürgerbeteiligungen mit sich. Die neue Kreisordnung machte kommunale Verwaltungserfahrung für das Landratsamt nicht mehr zur Vorbedingung, öffnete das Amt also auch für Außenseiter. Außerdem führte sie als Amtsbezeichnung nun ‚den Landrat‘ respektive ‚die Landrätin‘ ein.
Die Entwicklungen zwischen 1950 und 1990 lassen sich am besten als massive Steigerung des Leistungsvermögens der Verwaltungen beschreiben – nicht zuletzt auch durch Gebietsreformen, die in Schleswig-Holstein zwischen 1969 und 1973 die Zahl der Landkreise von 17 auf elf reduzierten und die durchschnittliche Fläche und Einwohnerzahl beträchtlich erhöhten. Einher ging das mit einem massiven Ausbau der Aufgaben der Landräte. Sie spiegeln die zunehmende Zahl an öffentlichen Angelegenheiten, die in einer modernen Gesellschaft geregelt werden müssen. Auf Kreisebene reichen sie von Wirtschaftsförderung und Fremdenverkehr über das Sozial- und Gesundheitswesen, die Jugend- beziehungsweise Familienfürsorge, das Schul- und Bildungswesen, die Ordnungspolitik bis hin zu Naturschutz und Abfallwirtschaft sowie dem Öffentlichen Personennahverkehr. Zudem sehen sich die Landkreise zunehmend in Konkurrenz untereinander um Einwohner, Unternehmen und Fördermittel, so dass Politikwissenschaftler wie Georg Fuchs Landräte in diesem umfassenden Aufgabenfeld als "Manager" ihres Kreises begreifen.