Bericht der Verwaltung - DrS/2021/044-2
Grunddaten
- Betreff:
-
Reform des SGB VIII durch das in Kraft gesetzte KJSG des Bundes hier: Kein Übertragungsakt durch Landesrecht erforderlich, Gesetz ist durch Jugendämter ab sofort umzusetzen, Konnexität wird verhandelt
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Bericht der Verwaltung
- Federführend:
- Jugendamtsleitung
- Bearbeitung:
- Manfred Stankat
- Verfasser 1:
- Manfred Stankat
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Kenntnisnahme
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16.09.2021
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Erledigt
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Hauptausschuss
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Kenntnisnahme
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21.09.2021
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Sachverhalt
Zusammenfassung:
Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) ist entgegen bisheriger Annahmen auch ohne vorherigen landesrechtlichen Umsetzungsakt von den Jugendämtern pflichtig ab sofort umzusetzen. Die daraus für den Kreis entstehenden Mehraufwendungen werden zurzeit von der Verwaltung ermittelt. Auf Landesebene wird gleichzeitig über einen möglichen Mehrbelastungsausgleich durch das Land verhandelt. Die Berichtsvorlage informiert erneut den Jugendhilfeausschuss und erstmals den Hauptausschuss über den Sachverhalt.
Sachverhalt:
Am 09.06.2021 ist das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG) im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 10.06.2021 in seinen wesentlichen Teilen in Kraft getreten. Durch das Gesetz wird die lange diskutierte Reform des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB VIII) umgesetzt; mit dem Gesetz werden den "örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe" zahlreiche neue Aufgaben übertragen bzw. ihnen bereits zuvor übertragene Aufgaben erweitert.
Wie von der Verwaltung bereits mit DrS/2021/044 und DrS/2021/044-1 im Jugendhilfeausschuss ausführlicher dargestellt, handelt es sich dabei im Einzelnen um folgende neue oder erweiterte Aufgaben des Jugendamtes:
- Neuregelungen im Kinderschutz / der Gefährdungseinschätzung in § 8 a SGB VIII sowie §§ 4, 5 KKG, sowie bei der Betriebserlaubniserteilung gem. §§ 45 ff. SGB VIII und bei Auslandsmaßnahmen
- Neuregelungen bzgl. der Inobhutnahme und Ausbau der Kooperation mit dem Familien-/Jugendstrafgericht (§ 42 SGB VIII sowie §§ 50, 52 SGB VIII) durch erweiterten Informations-/Datenaustausch
- Erweiterung der im Sorgeregister erfassten Daten (§ 58 a SGB VIII)
- Ausweitung bzgl. der pflichtigen Erstellung von Gewaltschutzkonzepten
- Ergänzung einer Vielzahl von Vorschriften im SGB VIII zur Umsetzung der inklusiven Ausrichtung des Gesetzes
- Neuregelung der Beratung für Kinder und Jugendliche nach § 8 SGB VIII
- Neufassung der Beratung für Leistungsberechtigte oder -beantragende junge Menschen, Eltern und Personensorge-/Erziehungsberechtigte nach §§ 10 a, 10 b SGB VIII und § 37
- Neuregelungen bei Hilfen zur Erziehung sowie Eingliederungshilfe
- Erweiterung der präventiven Angebote/stärkere bedarfsbezogene, sozialräumliche Ausrichtung der Angebote zur allgemeinen Förderung der Erziehung
- Neuregelungen im Hilfeplanverfahren (§ 36 SGB VIII) sowie nachgehender Beratung und Betreuung
- Erweiterung der Kooperationsverpflichtung der Jugendhilfe auch im Hilfeplanverfahren (§ 36 a SGB VIII)
- Festschreibung und Ausbau der Beteiligungsrechte in der Hilfeplanung
- Gewährleistung von geeigneten Beschwerdemöglichkeiten insbesondere für Kinder und Jugendliche in vollstationäre Maßnahmen
- Neugestaltung der Hilfe für junge Volljährige mit Einführung einer verbindlichen Nachbetreuung
- Regelungen zum Zuständigkeitsübergang
- Absenkung der Kostenbeteiligung junger Menschen und Leistungs- berechtigter nach § 19 SGB VIII
- Neuregelung des Betriebserlaubnisrechts
- Ergänzung der Verträge nach § 77 SGB VIII um Qualitätsmerkmale (Kostenvereinbarung bei ambulanten Leistungen)
- Einrichtung von Ombudsstellen (auf zentraler Ebene)
- Einführung von Verfahrenslotsen (aufgenommen ab 2024 im SGB VIII)
- Aufnahme der Selbstvertretungen in das SGB VIII
- Die Erhebungsmerkmale der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden ausgeweitet.
In Schleswig-Holstein sind durch § 47 Abs. 1 JuFöG die Kreise und kreisfreien Städte sowie - auf deren besonderen Antrag hin - die Große kreisangehörige Stadt Norderstedt zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt worden.
Nach Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG darf der Bund den Kommunen allerdings keine neuen Aufgaben (mehr) übertragen; das gilt nach Feststellung des Bundes-verfassungsgerichts mit Urteil vom 07.07.2020 - 2 BvR 696/12 - auch für die qualitativ oder quantitativ wesentliche Erweiterung von Aufgaben, die bereits zuvor durch den Bund (oder die Länder) den Gemeinden und Gemeinde-verbänden übertragen worden sind.
Für die Umsetzung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes bedeutete dies nach bisheriger Rechtsauffassung des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages (SHLKT), dass die Neuregelungen zunächst nur im Verhältnis zwischen Bund und Ländern Platz greifen und das Land Schleswig-Holstein seinerseits nach Art. 54 Abs. 4 LVSH i. V. m § 69 SGB VIII für die mit dem Kinder- und Jugendstärkungs-gesetz neu geschaffenen oder wesentlich erweiterten Aufgaben die zuständigen örtlichen Träger der Jugendhilfe durch Landesgesetz bestimmen und für den Fall, dass es diese Aufgaben auf die Kommunen überträgt, einen Mehrbelastungs-ausgleich nach Art. 57 Abs. 2 Satz 2 LV gewähren muss (Konnexität).
Das Land Schleswig-Holstein teilt diese Rechtsauffassung des SHLKT nicht. Es geht vielmehr davon aus, dass die neuen Regelungen des SGB VIII bereits mit deren Verkündung im Bundesgesetzblatt unmittelbare Umsetzungswirkungen und -pflichten bei den örtlichen Trägern der Jugendhilfe auslösen bzw. inzwischen ausgelöst haben. Eine gesonderte Übertragung der neuen Aufgaben durch einen Umsetzungsakt im Landesrecht beabsichtigt das Land daher nicht. Siehe hierzu das beigefügte Schreiben von Staatsekretär Dr. Badenhop vom 05.08.2021.
Unabhängig von der Lösung dieser streitigen Rechtsfrage bemühen sich SHLKT und Sozialministerium jedoch zurzeit um eine Verständigung darüber, dass den Kreisen durch die Umsetzung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes erweiterte Aufgaben zuwachsen und ob dafür vom Land ein finanzieller Ausgleich gewährt wird. Auch zu diesem Prozess hat sich der Staatssekretär im beigefügten Schreiben bereits (positiv) geäußert.
Bei der geschilderten Ausgangslange ist das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz durch die Kreise als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab sofort pflichtig umzusetzen. Ganz unabhängig von den Rechts- und Kostenfragen für die Umsetzung des Gesetzes bestehen zwischen Politik, Verbänden, Jugendämtern und den in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Fachkräften große Überein-stimmungen mit den Leitzielen und der Notwendigkeit der Reform:
- Besserer Kinder- und Jugendschutz
- Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
- Hilfen aus einer Hand für Kinder mit und ohne Behinderungen
- Mehr Prävention vor Ort
- Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien.
Zwischen dem Sozialministerium und dem SHLKT wird im Weiteren unter Beteiligung der Praxis der Kreisjugendämter zu bewerten sein, in welchem konkreten Umfang die Aufgabenerweiterung durch das Kinder- und Jugend-stärkungsgesetz zu einer durch das Land auszugleichenden Mehrbelastung der Kreise geführt hat bzw. führen wird.
Erste Berechnungen der Verwaltung des Jugendamtes haben ergeben, dass inklusive eines anteiligen Ausgleichsbetrags für das Jugendamt der Stadt Norderstedt ab dem Jahr 2022 mit jährlichen Mehraufwendungen des Kreises für die Kinder- und Jugendhilfe in Höhe von insgesamt rund 1,2 Mio. EUR zu rechnen sein wird. Davon wird voraussichtlich rund die Hälfte auf die Kosten zusätzlichen Personals entfallen. Diese Zahlen werden zurzeit intern mit den jeweiligen Querschnittsämtern überprüft und bis zu den kommenden Haushaltsberatungen konkretisiert. Dabei wird auch geprüft werden, welche Standards des neuen Gesetzes das Jugendamt bereits erfüllt und ggfs. nicht neu aufbauen muss.
In dem verwaltungsseitig bereits finalisierten und im Oktober 2021 den Gremien vorzulegenden Entwurf des Haushalts- und Stellenplans 2022 des Kreises sind wegen der geschilderten Unsicherheiten zunächst nur erste Umsetzungsschritte eingeflossen. Es wird darüber hinaus Gegenstand der Haushaltsberatungen sein müssen, in welchem weiteren Umfang die zusätzlichen Aufgaben aus dem KJSG ab 2022 im Rahmen von Änderungen zum Haushaltsentwurf zu berücksichtigen sind. Die Verwaltung sichert entsprechende Vorbereitungen zu.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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1
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(wie Dokument)
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1.020 kB
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