Bericht der Verwaltung - DrS/2021/013
Grunddaten
- Betreff:
-
Jugendmedienschutz im Kreis Segeberg - Medienpädagogische Bildungsangebote
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Bericht der Verwaltung
- Federführend:
- Jugendamtsleitung
- Bearbeitung:
- Beate Zierke
- Verfasser 1:
- Frau Vernal
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ausschuss für Bildung, Kultur und Sport
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Kenntnisnahme
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09.03.2021
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Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Kenntnisnahme
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11.03.2021
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Sachverhalt
Sachverhalt:
Zusammenfassung
Die Fachstelle für Kinderschutz u. Qualitätsentwicklung erarbeitet gemeinsam mit dem Bildungsmanagement und der Bildungsplanung für Digitalisierung Informations- und Fortbildungsangebote aus dem Bereich Jugendmedienschutz. Dazu sollen medienpädagogische Angebote für Eltern, Lehrkräfte, pädagogischen Multiplikatoren und Kinder/Jugendlichen neu geschaffen und Vorhandenes besser vernetzt werden. Ziel ist die Schaffung eines flächendeckenden Beratungs-, Informations-, und Fortbildungsangebotes zum Jugendmedienschutz.
Sachverhalt
Der Medienkonsum hat gerade bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Bereits vor der Corona Krise gab es wiederkehrend besorgniserregende Meldungen zum Konsumverhalten und den damit einhergehenden Folgeerscheinungen bis hin zu Suchterkrankungen. Der immer weiter ausufernde teilweise völlig ungesteuerte Gebrauch von (Online) Medien und deren Auswirkungen stand dabei im Zentrum. Insbesondere Erkenntnisse über das Nutzungsverhalten gegenüber digitalen Medien durch Kinder- und Jugendliche und die Auswirkungen auf das Individuum z. B. in Bezug auf die Leistungsfähigkeit im Bildungsbereich, wurden in zahlreichen Studien und Berichten von Fachkräften, die mit den Betroffenen der genannten Zielgruppen arbeiten, beschrieben.
Ergebnisse aus der aktuellen Forschung
In ihrer letzten Studie von 2019 weist die BZgA[1] auf eine Zunahme einer exzessiven Computerspiel- und Internetnutzung im Jugendalter hin. Über 28 % der 12- 17-Jährigen haben einen problematischen Medienkonsum. In den vergangenen Jahren ist ein deutlicherer Anstieg der Nutzung von digitalen Medien durch Kinder und Jugendliche zu verzeichnen. Festgestellt wurde zudem, dass mit einer hohen Online-Aktivität oder bereits Onlinesucht auch eine starke Neigung zu Depressionen assoziiert werden kann.
Laut einer DAK[2] aus dem vergangenen Jahr nahmen die digitalen Spielzeiten im ersten Corona Lockdown im Frühjahr 2020 werktags noch einmal um 75% im Vergleich zum Herbst 2019 zu.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Konsum von digitalen Medien immer mehr in den Kinderzimmern Einzug hält.
Seit 2018 ist die Online-Sucht (auch Social Media/Gaming) zudem ein von der WHO anerkanntes Sucht-Krankheitsbild. Die Studie der DAK[3] auf Grundlage der WHO Kriterien für „Online-Sucht“ zeigt eindrucksvoll auf: „Bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen ist das Gaming riskant oder pathologisch. Verschärfend für die allgemeine Entwicklung der Online-Mediennutzung kommt in Zeiten des Lockdowns, dass eine nicht geringe Anzahl von Kindern einen gesteigerten (ungesteuerten) Medienkonsum aufweisen – zusätzlich zur Onlinebeschulung und dem ohnehin vorhandenen Alltagskonsum.
Jugendmedienschutz
Mit der Veränderung der medialen Landschaft in den vergangenen Jahren hat sich auch das Aufgabenfeld des Jugendmedienschutzes erweitert. Aufgabe des erzieherischen Jugendschutzes ist über Gefahren aufzuklären und vorbeugende Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies gilt nach wie vor für die klassischen Medien wie Fernsehen, Musik, etc., aber auch für die Onlinemedien. Durch die zunehmende Nutzung von digitalen Angeboten durch Heranwachsende haben sich somit auch die Gefahren der Mediennutzung maßgeblich verändert. Kinder und Jugendliche haben im Internet ungehinderten Zugang z.B. zu gewaltverherrlichenden Spielen und pornographischem Bildmaterial. Zudem werden sie Opfer von Cybergrooming und Cybermobbing. Laut der Studie Cyberlife III[4] gaben bei einer Befragung 17,3 % der Schüler*innen an, bereits Opfer von Cybermobbing Attacken geworden zu sein.
Ziel des Jugendmedienschutzes ist es daher, Eltern aufzuklären und zu befähigen ihre Kinder vor diesen neuen Gefahren zu schützen.
Auch der Gesetzgeber sieht im Bereich des Jugendmedienschutzes Handlungsbedarf. Die Bundesregierung hat Ende des vergangenen Jahres eine Novelle des Jugendschutzgesetztes auf den Weg gebracht unter anderem mit dem Ziel, den Jugendmedienschutz zu verbessern. Derzeit wird der Gesetzesentwurf im zuständigen Ausschuss diskutiert.
Aktueller medienpädagogischer Stand Kreis Segeberg
Für den Kreis Segeberg liegen noch keine quantitativen Daten für diesen Themenbereich vor. Die lokal assoziierbaren Stichproben aus vorliegender Medienstudien sind auf das Kreisgebiet bezogen klein und damit nicht aussagekräftig genug für direkte Ableitungen. Einzig die stark steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen, die dem Bereich für u. a. geistig-seelische Behinderungen oder einer Suchterkrankung zugeordnet werden (722 Personen 0-25 Jahre im Kreis Segeberg 2019, RehaStat) geben einen ersten Hinweis darauf, dass sich die Einführung der Online(spiele)sucht[5] als anerkannte Suchterkrankung im Rahmen der ICD-11 auch allmählich in den Statistiken abbildet. Dabei bildet die Onlinesucht nur eine von vielen Erscheinungsbildern, die mit übermäßigem Medienkonsum in Verbindung stehen. Bekannte Folgen sind u.a. das Nachlassen in den schulischen Leistungen, schulverweigerndes Verhalten, Veränderungen im sozial-emotionalen Verhalten, fehlende Konzentrationsfähigkeit, Essstörungen und eine latent höhere Anfälligkeit für verschiedene Formen von Suchtverhalten (u.a. Drogen, Alkohol, Pornographie Konsum)
In Gesprächen (qualitativ) mit Multiplikatoren wurde die Thematik der Nutzung von Onlinemedien bei Kindern und Jugendlichen thematisiert. Dabei fanden sich wiederkehrende Angaben und Aussagen die hier anteilig einmal zusammengefasst aufgeführt werden sollen:
- Eltern nutzen (Online) Medien als „Babysitter“, Beruhigungs-, Ablenkungs- und Beschäftigungsinstrument -gerade in Corona –Zeiten.
- Eltern sehen sich nicht in der Verantwortung für die Medienerziehung und erwarten diese von Institutionen wie Kita und Schule.
- Die (Online) Mediennutzung bei Kindern fängt sehr früh an – meist schon deutlich vor dem Kita Besuch
- Die Mediennutzung ist in vielen Fällen inhaltlich und zeitlich ungesteuert und damit ausdauernd und vielfach nicht annähernd jugendschutzkonform
- Die Kinder erlangen schnell mehr „Wissen und Können“ in Bezug auf Social-Media/Games als die Eltern/Lehrer*innen/Erzieher*innen – können aber die für die Schule/Berufswelt relevanten digitalen Systeme nicht adäquat bedienen (Maus/Tastatur/Email/Onlinesuche/Office Programme)
- Folgen des erhöhten Medienkonsums auf das soziale Zusammenleben und Lernen wurden mit erhöhter Aggressivität, Konzentrationsstörungen, Lernschwierigkeiten, Ängsten, Schlafstörungen, Übergewicht, etc. beschrieben
- Hohes Konfliktpotenzial in den Familien - „Die Kinder sind nicht mehr vom Rechner/Handy wegzubekommen“, Aufgaben und Termine werden nicht eingehalten, andere Formen der alltäglichen Beschäftigungen wie Sport, lesen und altersgerechte Freizeitbeschäftigungen finden nicht statt
- Konflikte im Zusammenhang mit Internetdelikten wie Mobbing (als Täter*in und Opfer), Cybergrooming, Up-Skirting, Sexting, Pornographie, Verunglimpfung, Mobbing etc.
- Eltern (Erzieher*innen, Lehrer*innen…) fühlen sich hilflos, haben einen hohen Gesprächs- und Informationsbedarf.
- Als Multiplikatoren für entsprechendes Mediennutzungsverhalten gelten Eltern, Personensorgeberechtigte und der/die Partner*in, die wiederkehrend selbst ein unreflektiertes/grenzwertiges Medienverhalten aufweisen können.
Viele Eltern stehen heute in mehrfacher Hinsicht vor großen Herausforderungen. Sie müssen neben vielem anderen, auch die alltägliche Medienerziehung ihrer Kinder leisten, haben aber aus dem eigenen Erleben kaum erzieherische Vorbilder, die mit der heutigen digitalen Gesellschaft und Medienwelt konfrontiert waren. Eltern fühlen sich vielfach selbst orientierungslos, unsicher und sind damit überfordert einen klaren pädagogischen Rahmen in Bezug auf die medienpädagogische Erziehung ihrer Kinder zu setzen.
Die immer schneller fortschreitende digitale Entwicklung, dass sich kontinuierliche Anpassen von erlernten Kulturtechniken an die digitale Lebens- und Arbeitswelt des 21. Jh. und der Wunsch, den Kindern den Weg in die digitale Lebens- und Alltagswelt nicht zu versperren, verhindern zusehends einen altersgerechten, gesteuerten und in jeder Form eingegrenzten Medienkonsum.
In Zeiten des Online-Unterrichts und der Phasen des Lockdowns ist es für (berufstätige) Eltern weitaus schwieriger geworden, die bildungsgebundene Mediennutzung von der Freizeit-Mediennutzung zu unterscheiden, so dass medienerzieherische Maßnahmen nochmals schwerer anzuwenden und durchzusetzen sind.
In den Schulen im Kreis werden bereits seit Jahren vereinzelte Projekte durchgeführt, aber die Medienpädagogische Erziehung und der Jugendmedienschutz ist in erster Linie Elternsache. Im Kreis Segeberg gibt es z.Z. kein flächendeckendes präventives und strukturiertes Angebot einer „Medienerziehung“, die sich an die Zielgruppe der Lehrkräfte, pädagogisch Tätiger, Eltern oder Schüler*innen richtet. Die vorhandenen Angebote von Schulen befassen sich zumeist mit den Bereichen Medienkunde, Medienproduktion und Medientechnik.
Personen und Einrichtungen (z. B. Schulen) können sich bei mit digitalen Medien assoziierten Problematiken wie bspw. Cybermobbing etc. Hilfe über verschiedenen Angeboten der Suchthilfe ATS, der Therapiehilfe oder des Offenen Kanals S-H (Medienlotsen) oder der Polizei (Cybercrime Abteilung) holen. Eine strukturierte Zusammenarbeit aus den Bereichen Prävention, Beratung, Begleitung und Strafverfolgung findet im Kontext des Jugendmedienschutzes im Kreis noch keine Anwendung. Projekte und Aktivitäten sind meist einem Vorfall (z. B. Mobbing in der Schule) oder einer Anregung aus der Elternschaft/Lehrerkollegium etc. geschuldet.
Geplante Angebote – Information, Prävention, Beratung flächendeckend im Kreis Segeberg etablieren
- Zur kurzfristigen Unterstützung der Elternschaft im Kreis (Start Februar 2021) sollen zeitnah online Informationsangebote (Arbeitstitel: Mission Media) für Eltern umgesetzt werden. Diese sollen in Kooperation mit lokalen wie überregionalen Anbietern (Suchthilfeträgern, Offener-Kanal SH) in ca. 60min-90min online Einheiten umgesetzt werden. Themen: Wie gelingt ein guter Umgang mit Onlinemedien? Wieviel Medienkonsum ist gut für mein Kind? Was muss ich bei der medienpädagogischen Erziehung beachten? Inhalte werden u.a. sein: Medienerziehung-eine Aufgabe der Eltern!?, Eltern als Vorbild, Sicherheit im Netz, Kinderseiten, Populäre Apps/Spiele, Nutzungszeiten u. v. m.
- Elternabende zur Mediennutzung und zum Jugendmedienschutz für Kitas und Schulen.
- Überregionale (Fach)Veranstaltung und Workshops zu den Themen Mediennutzung, Online(Medien)Sucht, Jugendmedienschutz, aber auch medienpädagogische Anregungen für Erziehung, Unterricht sowie die kinder- und jugendbezogene pädagogische Arbeit.
- überregionale Vernetzung der medienpädagogischen Angebote, Fortbildungen, Workshops und Veranstaltungen.
Langfristig ist eine regelmäßige und passgenaue Ansprache der Zielgruppen Multiplikatoren, Eltern und Kinder in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten zum Thema Medienerziehung geplant. Die Angebote berücksichtigen die unterschiedlichen Bedarfe der genannten Zielgruppen und bilden dies in der Planung, Organisation und Durchführung der Veranstaltungen ab. Der Kreis fungiert hier im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabe, u.a. vertreten durch das Jugendamt, als vernetzende, organisierende, finanzierende und abbildende (Bildungsplanung, Fachstelle Kinderschutz und Qualitätsentwicklung) übergeordnete Stelle. Es wird eine breite Zusammenarbeit mit allen Akteur*innen und Partner*innen auf Kreis und Landesebene angestrebt, um sowohl die Angebotsstruktur als auch das die Präventionsarbeit im Bereich Jugendmedienschutz möglichst kreisweit, dauerhaft und nachhaltig zu etablieren.
Für das Jahr 2021 werden keine zusätzlichen Mittel benötigt. Alle Angebote werden aus den bestehenden Haushaltsansätzen für 2021 und den vorhandenen Förderprogrammen bestritten.
[1] https://www.bzga.de/aktuelles/2020-12-15-neue-bzga-studiendaten-zur-computerspiel-und-internetnutzung/
[4] https://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/fileadmin/pdf/studien/Cyberlife_Studie_2020_END1__1_.pdf
