Inhalt

Smartphones werden wir durch sie abgehört

Liebe Mitarbeiter*innen,

als ich den Artikel in der Segeberger Zeitung in der Glosse „Alles klar“ gelesen habe, fasste ich diesen so auf, wie er gemeint war: Als kuriose Begebenheit des Alltags. Ich vermutete, dass der Betroffene parallel diese Themen bei Google oder Facebook gesucht oder eingegeben hatte und dadurch in altbekannter Weise die personalisierte Werbung generiert wurde. Erst nach persönlichen Gesprächen mit 2 Kollegen, die eine Texteingabe glaubhaft ausgeschlossen haben, bin ich zu der Ansicht gelangt, dass Smartphones evtl. tatsächlich ihre Umgebung abhören, um gezielt personalisierte Werbung schalten zu können. Inzwischen haben die meisten Smartphone-Benutzer derartige Erfahrungen gemacht, in meinen Datenschutz-Schulungen können immer einige Teilnehmer*innen von derartigen Erfahrungen berichten.


Hier eine kleine Sammlung an Beispielen, die mir Kolleg*innen berichtet haben:

1. Fall, Avocados:
Sommer 2018: Der Kollege befand sich in Bordesholm auf einem Lehrgang. Dort wurde in der Runde über Rezepte, Gerichte und Trends der Avocado-Frucht gesprochen. Als er anschließend in der Pause auf seinem iPhone die Facebook-App öffnete, wurde ihm vom örtlichen Penny- Markt eine Anzeige über Avocados angezeigt, die dort derzeit gerade im Angebot seien.

2. Fall, Baufinanzierung durch „Interhyp“:
Ein Kollege saß mit seiner Frau Anfang Januar 2019 bei Freunden zusammen. Sie sprachen über die geplante Baufinanzierung, als möglicher Anbieter wurde auch die Fa. „Interhyp“ genannt. Seine Frau öffnete später auf ihrem Samsung-Android-Smartphone die Facebook-App und bekam eine Anzeige des Baufinanzierers „Interhyp“ angezeigt.

3. Fall, Color Line Fähre nach Oslo:
Ein Kollege telefonierte Anfang Februar 2019 vormittags mit einem Freund mit seinem Samsung-Smartphone (Android). Sie unterhalten sich über den bevorstehenden Urlaub v. ihm, der nach Norwegen gehen soll.
Als er anschließend youtube oder google öffnete, wird ihm eine Werbung der Fa. „Color Line“ für Überfahrten von Kiel nach Oslo angezeigt.

4. Fall: Verlag PflegeManagement:
Der Sohn einer Kollegin macht eine Ausbildung zum Krankenpfleger und arbeitet aktuell an einer Pflegeplanung. Natürlich sprechen sie auch darüber, aber die Kollegin hat noch nie auf ihrem Handy nach "Pflegeplanung" gesucht.
Am Freitag sprechen sie über die Pflegeplanung (die ihr Sohn gerade als Klausurersatzleistung schreibt) bei ihr zu Hause uns am Essenstisch, seit Samstag hat sie immerzu Werbung des Verlages
"Verlag PflegeManagement" - wie schreibe ich eine Pflegeplanung -
auf ihrem Handy. Ihr Handy lag unbenutzt am Freitag im Wohnzimmer.

5. Fall: Die Romreise:
Bei einer Aufräumaktion vor 3-4 Wochen fand ich Ansichtskarten aus Rom. Diese Karten hatte meine Mutter sich einst von einer Urlaubsreise als Souvenir mitgebracht. Ich sprach dann mit meiner Mutter über ihre Reise, den Aufenthalt etc. Mein Smartphone lag im selben Raum.
Kurze Zeit später  erhielt ich per E-Mail Post zugesendet, in der eine 7 tägige Romreise beworben wurde. Ich hatte in der Zeit davor keine Reise nach Italien gegoogelt, noch sonst mal interessehalber nach Reiseangeboten geschaut. Da ich bisher weder  Rom noch Italien bereist habe, kam diese Werbung, für sich gesehen, aus heiterem Himmel- allerdings passend zur 1-2 Tage vorher geführten Unterhaltung.

6. Fall: Werbekugelschreiber:
Seit Beginn der Ausbildung unterhielten wir uns häufiger über Kugelschreiber, da in unserer Willkommenstasche des Kreises Kugelschreiber enthalten waren, und die Jahrgänge vor uns diese nicht bekommen hatten. Wir witzelten oft über die Kugelschreiber, bei einem Workshop bekamen die anderen Azubis dann auch noch Taschen des Kreises und Kugelschreiber. Es war einfach oft Thema. Seitdem bekomme ich online sehr oft Werbung für personalisierte Werbe-Kulis, obwohl ich niemals online danach gesucht hatte.

7. Fall: Videoüberwachung im Columbus Hotel Bremerhaven:
Als Gast in dem Hotel habe ich mich in meinem Hotelzimmer durch das TV-Programm gezappt. Plötzlich stieß ich auf einen Kanal, auf dem man die Livebilder der Überwachungskamera vor dem Haupteingang verfolgen konnte. Das weiß ich, da ich auf jemanden wartete, der dann auch kurz darauf eintraf.

8. Fall: Unerklärliche Push-Nachricht auf dem Handy:
An einem Morgen auf der Arbeit habe ich bei Google-Maps etwas gesucht. Im Laufe des Tages hatte ich dann ein Gespräch mit einem Kunden. Später erhielt ich eine Push-Nachricht, in der genau dieser Kunde Verfahrensfragen an den Kreis Segeberg stellt.

9. Fall: Woher weiß Google-Maps, wann ich wo Motorrad gefahren bin (oder auch nicht…):
Ich bin regelmäßig mit meinem Motorrad unterwegs und nutze zur Streckenplanung gerne Google-Maps. In der Timeline werden mir die vergangenen Fahrten angezeigt, inkl. Dem Hinweis, ob ich mit dem Auto oder dem Motorrad unterwegs war. Meistens stimmt dies, bei einer Fahrt wurde ich jedoch stutzig: Ich war zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mit dem Motorrad, wie angegeben unterwegs. Allerdings hatte ich mein Motorrad repariert und ließ zum Test längere Zeit den Motor laufen. Dieses Geräusch muss mein Smartphone erfasst und als Motorradfahrt gewertet haben.

 

Artikel in der Segeberger Zeitung in der Rubrik "Alles klar" vom 30.11.2018:
Smartphones hoeren ab SZ 2018 11 30

und vom 03.08.2019:
SZetto wird nun auch ausgespäht SZ 2019 08 03


Bericht über die Alphonso-Software zum Abhören auf Smartphones brand eins 6/2019: 
Alphonso Software brand eins 2019 06


In einem Artikel der Segeberger Zeitung v. 17.11.2020 wird dargelegt, warum die zwangsweise erzeugte Apple-ID ein derart gravierendes Datenschutz-Problem darstellt, dass Datenschützer diesen Konzern deswegen verklagen wollen. Es wird auch darauf hingwiesen, dass es bei dem Google-Betriebssystem Android ähnliche Probleme gibt:
Smartphone Gefahren Datenschützer wollen Apple vor Gericht bringen SZ 2020 11 17


Auch Musik-Streamingdienste wie Spotify hören einen ab:
Spotify als Lauscher Dr Datenschutz 2021 02 09

SWR3-Faktencheck dazu:
SWR3 Faktencheck Wird mein Handy abgehört 2021 05 17


Werbe-Tracker überwinden Gerätegrenzen
Die Datenschutzorganisation Center for Democracy and Technology (CDT) warnt in den USA vor den Folgen von geräteübergreifendem Nutzer-Tracking. Dabei wird Werbung im Fernsehen oder im Internet mit hochfrequenten Tönen unterlegt, die Menschen nicht wahrnehmen. Tablets, Smartphones und andere Geräte in der Nähe können diese sogenannten Sound-Beacons aber registrieren. Gelingt das, lassen sich die Geräte einem Benutzerprofil zuordnen. Durch Zusammenführen dieser Daten würden die Werbenetzwerke ihr Wissen über den Einzelnen stark ausweiten, um ihn mit zielgerichteter Werbung anzusprechen.

Laut CDT arbeiten die Firmen Adobe, SilverPush, Drawbridge und Flurry an geräteübergreifenden Nutzerprofilen. Im April 2015 habe man die Software von SilverPush bereits in 67 Apps gefunden. Sie lauscht nach Angaben des Herstellers nur auf die Beacons und nicht auf andere Geräusche oder gar auf Sprache. Nach Angaben von CDT überwacht SilverPush so bereits 18 Millionen Smartphones. (ad@ct.de)
ausführlicher Kommentar (in englisch)

Weitere Artikel zum Thema:
Spiegel

Allgemeine Übersicht zum Thema Smartphones und Datenschutz:
donottrack


Bitte beachten Sie auch meine Anmerkungen zur Sicherheit v. Smartphones in meinem Artikel über die Corona-Warn-App:
Internet und Smartphones sicherer nutzen
Corona-Warn-App / Luca-App und Datenschutz



Über Rückmeldungen sowie Anregungen für weitere Themen würde ich mich sehr freuen.

Autor: Olaf Kuhlbrodt, 07.04.2022 
Quelle: Kreis Segeberg